Seefahrer, Museumteam, Wählergruppe, Aktionskünstler, Chorsänger, Theatermacher, Piloten und Idioten und natürlich Freunde

Aktionskunstgruppe Menschenmüll

Aktionskunst - wie wir sie verstehen - will dem konventionellen Kunstbetrieb ein "Schnippchen schlagen". Kunst kann so ziehmlich alles sein, außer ernst!  Auslöser waren  Künstler (wie Beuys, Anatol, und Butjatha), die in den 70er Jahren mit ihren Aktionen den Kurort Dangast aufmischten.  Das Verhältnis zu dieser -für uns - fremden Kunst war ambivalent. Aus Neugier, zogen uns diese Aktionen an, die zugleich zum Staunen und Schmunzeln anregten.
Die Aktionskunstgruppe beschloss sich von der übrigen Welt abzuspalten. Es wurde zunächst das Königreich Dangastermoor ausgerufen und in einem fairen Kampf ,ganz demokratisch, der erste König (Hans der 1.)  gewählt.  Sofort wurden bei den Regierungen in Washington und Moskau Hilfegesuche eingereicht um die noch junge Monarchie durch die Stationierung von Atomraketen militärisch gegen Übergriffe von außen zu stärken.
Auch künstlerisch wurde das kleine Königreich bedroht. Kaiser Butjatha ließ aus schierer Provokation seinen Thron direkt am Kurhausstrand in Dangast bauen. Ein Schlag ins Gesicht!
 
Menschenmll Expeditionsheer
Das Dangastermoorer Expeditionsheer beim Übersetzen zum Kurhausstrand zur "Schlickschlacht"
 
 
Menschmll Flugtage TextDie Piloten feierten 1981 den ersten fliegenden Dangastermoorer.
 
Den ersten Rückschlägen folgte der wirtschaftlich und kulturelle Aufstieg.  Die eigene Währung - die "Mörtelmark" - wurde offizielles Zahlungsmittel in Dangastermmoor und eine schrecklich-schöne Hymne ("Wir sind die Dangastermoorer, wo wir hintreten wächst kein Gras mehr! Stolz ist unser König ...") wurde dem König gewidmet - genaugenommen hat er sie sogar selbst geschrieben. Wenig später erschien die erste und einzige Ausgabe des Dangastermoorer Kuriers. Bald gab es mehr Minister als wahlberechtigte Untertanen.  
 
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Die Raila  auf dem Weg nach Bremen
 
Eine Aktiengesellschaft wurde gegründet und erlaubte die Anschaffung des Bootes "RAILA" . Das Boot wurde zu einem Drachenboot umgebaut um eine Strafexpedition gegen die Bremer "Pfeffersäcke" zu führen, die Varel im Laufe der Geschichte zweimal niedergebrannt hatten. Widrige Stürme zwangen die Mannschaft vor der Wesermündung die Mission abzubrechen. Um auch der Flugzeugindustrie Boing und Airbus den Rang abzulaufen, wurde  der Menschenmüll-Flugtag ins Leben gerufen, um rasch einen Technologievorsprung zu erzielen. 
Kulturell katapultierte sich das Königreich zunächst jedoch ins Mittelalter zurück. Ritterspiele, höfisches Gehabe und die Späße des königlichen Hofnarren bildeten das kulturelle Fundament. Insbesondere die Ritterspiele, die ursprünglich nur bei der Wahl- bzw. Wiederwahl des Königs abgehalten wurden, fanden auch außerhalb der Grenzen des Königreiches Anklang und erfreuten sich großer Beliebtheit. Kurzum sie wurden zu einem ersten Exportschlager des Reiches. Auf Festen und Märkten wurden die Spiele für einen kleinen Obolus angeboten, um den König die nötigen Devisen für neue Projekte zu beschaffen.
 
RitterspieleRitterspiel beim Stadtfest in Varel
 
Der anfänglichen Rückbesinnung auf alte Traditionen folgte Anfang der 80er Jahren  eine kleine Kulturrevolution. Neuer, moderner, verrückter.
 
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Szene aus dem 1. Film "Menschenmüll" 1979 - 1980, der unserer Gruppe den Namen gab.
 
Eine eigene Filmproduktion wurde aus dem Moorboden gestampft und dadaiistische Kunstausstellungen überschwemmten das Reich mit allerlei Kunst-Unsinn.
Doch das Volk verlangte mehr Blödsinn - so wurde 1981 das Menschenmüll-Aktionstheater gegründet. Das Aktionstheater zeichnet sich durch einen besonderen Mix aus Unfähigkeit (bei einigen auch Können), Spontanität, Improvisation und Spaß aus. Fortan wurde einmal jährlich kurz vor Weihnachten eine MM-Inszenierung im Alten Kurhaus Dangast angeboten, die u.a. aktuelle Ereignisse aus Dangastermoor und der ganzen Welt in den Stücken verwurstete. Der besondere Clou ist, dass das Stück erst kurz vor der Uraufführung als Stichwort-Konzept zu Papier gebracht und nicht geprobt wird. So hält es am Theaterabend auch einige Überraschungen für das Ensemble bereit. Im Übrigen wird das Stück nur an einem einzigen Abend gezeigt. Der Eintritt ist frei.  Das erste Museum für Kuriositäten und Seemannslegenden - das Spijöök - konnte von den Menschenmüllern erst in den 90er Jahren eröffnet werden.  In dieser musealen Einrichtung wird die wahre Geschichte der Friesen höchst wissenschaftlich aufbereitet. Gleichzeitig werden dort die neuesten Entwicklungen und Erfindungen freisischer Superhirne präsentiert. Zum Kuriositätenmuseum "Spijöök"
 
Fischer wattgolfen Pavillionlauf text
 
Sportlich knüpfte das Königreich zunächst an altfriesische Sportarten an. Einmal im Jahr werden die Kräfte beim "Grabenspringen"  gemessen und die Jahreswende durch ein rituelles Bad in der ersten, jungfräulichen Flut des neuen Jahres gefeiert. Im Mai folgen die Fischerspiele, mit denen die Maischollen-Fangsaison eingeleitet wird. Es entwickelte sich bald eine eigenständige, gediegene Sportkultur mit "Rollhockey" (bei dem es nur drei Regel gibt) und dem "Pavillionlauf", der einmal pro Dekade veranstaltet wird. Populärste Sportart wurde jedoch das "Wattgolfen".
 
rollhockey Grabenspringen Eis text
 Rollhockey - als Vorbild diente der Film Rollerball
 
Nach der Befriedung der Grenzen konnte die "Raila" zu einem Forschungsschiff umgerüstet und Expeditionen in benachbarte Länder unternommen werden.
 
 
 
Epediton Sdfrankreich schrift
 
 
Diese Expedionen dienten der Erforschung und Missionierung fremder Kulturen. Zahlreiche Artefakte in unserem Spijöök erzählen von diesen abendteuerlichen Reisen. Entgegen den Behauptungen einiger böser Zungen, ging es bei diesen Expeditionen nie um die Unterjochung anderer Länder. Die Fahrten dienten stets der Erweiterung des eigenen Horizonts. 
Natürlich gelüstete es unseren König danach, die Grenzen seines Königreiches zu erweitern. Doch anstatt sich in teure uns sinnlose Schlickschlachten zu stürzen, wählte  er einen anderen Weg. Sein hintertriebener Plan war es, die benachbarte Stadt Varel bei den Kommunalwahlen 1986 mit Königstreuen zu unterwandern und so nach und nach seinem Reich einzuverleiben. Dieser "Kampf" daurert nun schon über dreißig Jahre an.
 
 
Von der Aktionskunst zur Politik
1985 fiel mir auf einem Parkplatz bei Konstanz auf, dass dieser sich auf dem Grundstück einer ehemaligen Synagoge befand. Der Gedenkstein wurde jedoch an den Rand gedrängt und von einem Busch fast vollständig verdeckt. Dies inspirierte mich, einen soliden Gedenkstein mit der Inschrift "Gedenksteine sind die Zeugen der Vergesslichkeit" aus Beton zu gießen.
 MMW 1. Aktion text
 
 
Dieser wurde Anfang 1986 in einer "Nacht- und Nebel-Kunstaktion" auf einem gepflasterten Platz bei der Kuranlage in Dangast auf gestellt.Trotz des ernsten Hintergrundes stand für  das MM-Team immer der Spaß an der Aktion im Vordergrund. Die Stadt verstand weder Spaß noch den Hintergrund. Sie erstattete sofort Anzeige. Erst als unsere Aktionsgruppe den Hintergrund an die Presse weiterleitete, zog die Stadt die Anzeige zurück.
Wenig später besuchten einige Mitglieder der Aktionskunstgruppe Menschenüll eine Lesung vom Heimatdichter Oswald André (Jever), der darüber "nachdachte", warum man den einfachen Menschen - wie dem Deicharbeiter Oltmann Beecken aus Dangastermoor (er wurde beim Deicharbeiter-Streik 1765 erschossen) - kein Denkmal setzt. Dem kann man abhelfen! Gesagt - getan!  Am 01. April 1986 benannten die Menschenmüller die Straße "Zum Jadebusen" in die "Oltmann-Beecken-Str." um.
 
Oltmann Beekenfestspiele
Es dauerte jedoch etwas länger, bis die Stadt Varel auf Antrag der "Grünen" unsere Vision Wirklichkeit werden ließ und eine Straße im Neubaugebiet nach unserem "Arbeiterhelden" (er war ja schließlich der erste der sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen auflehnte) benannte. Die Menschenmüller ließen es sich natürlich nicht nehmen, dieses Ereignis mit den erst Oltmann-Beecken-Festspielen im Neubaugebiet einzuweihen. Erst 2005 wurde dann ein professionelles Theater (Der Deicher) über Oltmann Beecken in Dangast aufgeführt.

 
Eigentlich wollten die Aktionskünstler des Menschenmüll-Teams die Kommunalwahlen 1986 nur aufs Korn nehmen. Doch als die Plakate schon gedruckt waren, ("MMW - verspricht nichts, kann nichts - macht nix!") sagte Karl-August zu uns: "Ihr seid doch doof! Lasst euch doch richtig aufstellen!" Die Idee wurde rasch aufgegriffen, die Kandidatur vorbereitet, und das Wort "Po-Gramm" eilig auf Toilettenpapier gedruckt.
 
Kommunalwahl 1986
 
Trotz des lausigen Wahlkampfes - bei dem sich einige "interessierte Bürger"  darüber aufregten, dass die Kugelschreiber und Feuerzeuge, die wir als Wahlgeschenke vertelten, leer oder kaputt waren - erreichten wir immerhin 0.8 % der Stimmen.
Wir hatten jedoch "Blut geleckt" und wollten dann doch irgendwie die Regierungsgewalt - koste es was es wolle - an uns reißen. So stürmten wir unangemeldet am Rosenmontag 1987 das Vareler Rathaus und drängten auf die Herausgabe des Stadtschlüssels. Zu Legitimation hatten wir eigens unseren demokratisch gewählten König "Hans" mitgebracht, der doch wohl etwas mehr Gewicht haben sollte als  "Prinz Bodo".  
 
Menschenmll Putsch 
 
 
Der sogenannte "Menschenmüll-Puntsch" scheiterte und endete in einer heiteren Runde. Es dauerte weiter 5 Jahre ...
Wir verzichteten auf unsere üppigen Wahlgeschenke, versprachen diesmal dafür etwas Spaß ins Rathaus zu bringen. Und siehe da - wir konnten 1991 unseren Stimmanteil (mit 2,1 %)  mehr als verdoppeln und errangen den ersten Sitz im Stadtrat.
 
1996 waren es immerhin schon 4,3 %. Leider blieb es nur bei einem Mandat, so dass wir insgesamt zehn Jahre über kein Stimm- und Rederecht in den Ausschüssen verfügten.
2001 erhielten wir dann 8,3 %. Wir konnten endlich mit 3 MMW- Ratsmitgliedern einziehen und eine Fraktion bilden.
2006 konnten wir unsere Ergebnisse auf 10,4 % ausbauen und damit die Fraktionsstärke  auf 4 Ratsmitgliedern steigern.
 
MMW
 
 
2011 musste die MMW einen derben Rückschlag in der angestrebten Machtübernahme hinnehmen. Die MMW viel aufgrund der Vielzahl von Mitbewerbern (10 Parteien kloppten sich um die auf 32 Mandate reduzierten Sitze) auf 9,6 Prozent zurück und verlor ein Mandat. Dennnoch, die MMW konnte die allgemeine Verwirrung, die durch das bunte Parteienspektrum herrschte, nutzen um das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters mit  einem Königstreuen besetzen.
 

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